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Vorsorgemaßnahmen beim Lynch Syndrom: Praktisches Vorgehen und Perspektiven


Nicht-operative Vorsorgemaßnahmen:


Koloskopie:

Eine komplette Koloskopie (ideal mit Intubation des terminalen Ileums zur Dokumentation des Erreichens der Dünndarmschleimhaut sowie virtueller oder klassischer Chromoendoskopie) sollte für die Mehrheit der Patienten*innen jährlich ab dem 25. Lebensjahr bzw. 5 Jahre vor dem dem fru?hesten Erkrankungsalter in der Familie erfolgen. In Abhängigkeit der Mutation der jeweilig Betroffenen (PMS2 und MSH6), bei fehlendem Nachweis von Polypen und exzellenter Vorbereitung (und damit Beurteilbarkeit!) kann das Intervall entsprechend den Daten auch aus der Gruppe auf zweijährlich verlängert werden (Engel C et al. Gastroenterology 2018). Eine Koloskopie unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz kann die Detektionsrate von Polypen möglicherweise erhöhen und wird innerhalb des Konsortiums wissenschaftlich untersucht.


Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD):

Die ÖGD kann sowohl Vorläufer wie auch bereits bestehende Tumore des Magens aber auch des Dünndarms entdecken. Diese sollte in Abhängigkeit der Mutation der jeweilig Betroffenen, des Auftretens von bestimmten Tumoren in der Familienanamnese und den Vorbefunden ab dem 25. Lebensjahr alle 1- 3 Jahre erfolgen und kann so auch frühere, dann operable Befunde detektieren (Vangala).


Gynäkologischer Ultraschall:

Die Ultraschalluntersuchung soll im Rahmen der jährlichen gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung transvaginal durchgeführt werden. Der Stellenwert der zusätzlichen Biopsie im Rahmen des Ultraschalls ist nicht durch größere Studien gesichert und sollte im Einzelfall mit den Patientinnen besprochen werden.


Körperliche Untersuchung:

Da die körperliche Untersuchung bei Wohlbefinden der Patienten*innen und Inanspruchnahme der empfohlenen Vorsorgemaßnahmen in der Regel keine wesentlichen Befunde liefert, wurde die Empfehlung zur jährlichen körperlichen Untersuchung auf "regelmäßige" Untersuchung geändert. Sicherlich ist eine sog. "Symptom-orientierte" körperliche Untersuchung entscheidend.



Operative Vorsorgemaßnahmen:


Kolektomie:

Obwohl sich regelhaft Polypen und daraus Karzinome des Kolons bei Betroffenen entwickeln, wird bei Einhalten der Vorsorgeintervalle der Koloskopie aktuell keine prophylaktische Kolektomie empfohlen. Diese soll nur bei schwieriger Untersuchbarkeit oder/ und wiederholt schwieriger Vorbereitung mit den Betroffenen erwogen werden. Bei Auftreten eines Dickdarmkarzinoms sollte jedoch auch mit den Betroffenen die Erweiterung der Operation auf eine sog. subtotale Kolektomie diskutiert werden, um hierdurch das weitere zu erwartende Auftreten von Folgekarzinomen zu vermindern.


Hysterektomie und Ovarektomie:

Beide Operationen tragen zur Verhinderung des Auftretens von Krebserkrankungen bei. Da die Ovarektomie auch mit einer hormonellen Beeinflussung der Patientinnen einhergeht, wird hier die Empfehlung vorsichtiger gestellt: Den Patientinnen sollte ab dem 40. Lebensjahr bzw. fünf Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie eine prophylaktische Hysterektomie angeboten werden. Die Vor- und Nachteile einer vorsorglichen "prophylaktischen" Ovarektomie sollten mit den Patientinnen besprochen werden.


Publikationen aus dem Konsortium:

ο Engel C et al. Gastroenterology 2018

ο Hüneburg R et al. ZfG 2019

ο Ladigan-Badura S et al. Cancer Genetics and Epigenetics 2020


Für weitere Informationen zum Lynch Syndrom: https://www.hnpcc.de/lynch-syndrom.html




Mikrosatelliteninstabilität und Immunhistochemie


Die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) ist ein Charakteristikum des hereditären nichtpolypösen kolorektalen Karzinoms (HNPCC), welches nach dem Erstbeschreiber auch Lynch-Syndrom genannt wird. Das Lynch-Syndrom wird durch inaktivierende Keimbahnmutationen in einem der DNA-Mismatchreparatur-Gene (MMR-Gene) MLH1 MSH2, MSH6 und PMS2 oder eine Deletion des EPCAM-Gens verursacht. Bei der Tumorentstehung wird durch somatische Mutationen auch das zweite Allel inaktiviert, so dass ein Funktionsverlust des mutierten MMR-Proteins entsteht. Durch das Ausbleiben der Korrektur von Replikationsfehlern kommt es zur Anreicherung von Basenfehl-paarungen ("mismatches") und kurzen Deletionen/Insertionen, bevorzugt an repetitiven Sequenzen (Mikrosatelliten).

Als Prädispositionsmarker für das Lynch-Syndrom wird seit mehr als 20 Jahren als indirekter Nachweis der Ausfall der MMR-Proteine im Tumorgewebe mittels Immunhistochemie (IHC) und der molekularpathologische Nachweis der Mikrosatelliteninstabilität als Screeningverfahren genutzt. Für diese Analyse ist eine Aufklärung nicht aber eine Einwilligung nach Gendiagnostikgesetz notwendig.


Immunhistochemie (MSH2-/MLH1-/MSH6-/PMS2-Expression)

Die immunhistochemische Expressionsanalyse der MMR-Proteine in Tumorzellen ist ein einfaches und verlässliches Screeningverfahren für einen Ausfall der MMR-Gene.

Mithilfe der IHC lässt sich der der Mikrosatelliteninstabilität zugrunde liegende Funktionsverlust in einem der wesentlichen Mismatch-Reparaturgene (MSH2, MLH1, MSH6, PMS2) relativ einfach als ein Ausfall der immunhistochemischen Färbung in den Tumorzellkernen nachweisen. Die MMR-Proteine bilden heterodimere Proteinkomplexe, wobei MSH2 an MSH6 und MLH1 an PMS2 bindet. Bei Ausfall des 1. Bindungspartners (MSH2 und MLH1) kommt es typischerweise auch zum Ausfall des 2. Bindungspartners. Bei Ausfall des 2. Bindungspartner MSH6 oder PMS2 ist allerdings der erste Bindungspartner noch weiterhin nachweisbar.

Somit kann mittels IHC gezielt überprüft werden, welche der involvierten DNA-Reparaturenzyme/-enzymkomplexe nicht mehr in der Zelle nachweisbar sind. Die Untersuchung ermöglicht somit auch die Eingrenzung der betroffenen Gene und daher eine gezielte Mutationsanalytik im Anschluss.


Molekularpathologische MSI-Testverfahren

Ein Funktionsausfall der MMR-Proteine führt zu Längenveränderungen der Mikrosatelliten im Zellgenom. Mikrosatelliten mit Längenveränderungen werden als instabil bezeichnet. Zur Mikrosatellitenanalyse wird eine Mikrodissektion von Tumorzellen und Normalgewebe und nachfolgend eine DNA-Extraktion durchgeführt. Die Länge eines Mikrosatelliten kann durch selektive Amplifikation mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) mit nachfolgender Längenanalyse des PCR-Produkts mittels hochauflösender Kapillarelektrophorese ermittelt werden. Dabei werden die Elektropherogramme mit dem Mikrosatelliten-Muster von DNA aus Tumor- und Normalgewebe vergleichend dargestellt und interpretiert. Das Referenzpanel (NCI Bethesda-Panel) umfasst zwei Mononukleotid-Mikrosatelliten (BAT-25, BAT-26) und drei Dinukleotid-Mikrosatelliten (D2S123, D5S346, D7S250). Eine geringgradige Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-L) liegt vor, wenn ein untersuchter Marker ausgefallen ist, eine hochgradige Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-H), wenn mehr als zwei der untersuchten Mikrosatelliten eine Instabilität aufweisen.

Andere Panel zur MSI-Analyse verwenden ausschließlich (quasi-)monomorphe Mononukleotid-Marker (BAT-25, BAT-26, NR-21, NR-24, MONO-27; Promega MSI Analysis System 1.2) und/oder eine größere Anzahl von Markern (7 Loci; Idylla™ MSI Assay).

Neben üblichen PCR-basierten Systemen wird auch der Einsatz von Next Generation Sequencing (NGS) vermehrt für die MSI-Analyse verwendet. Der Vorteil einer NGS-basierten MSI-Testung besteht in einer umfassenderen Analyse des Tumorgewebes. Die Sensitivität und Spezifität der MSI-Detektion mittels NGS im Vergleich zur PCR-basierten MSI-Analyse wird mit über 96,4% (Sensitivität) bzw. 97,2 % (Spezifität) beschrieben (Salipante SJ, et al (2014) Microsatellite instability detection by next generation sequencing. Clin Chem 60:1192-1199).




 
     
   
     

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