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MAP


Dickdarmkrebserkrankungen mit Polyposis


Erbliche Polypen-Erkrankungen des Magendarmtraktes können in jeder Altersgruppe auftreten und zeigen eine mitunter ausgeprägte Variabilität des Krankheitsverlaufs – auch innerhalb einer Familie.



BEDEUTUNG EINER FRÜHEN UND KORREKTEN DIAGNOSE


Die Erkennung und korrekte Diagnose hat große Bedeutung, da die meisten Formen einerseits durch ein hohes Lebenszeitrisiko für früh auftretende Krebsformen innerhalb und außerhalb des Magendarmtraktes sowie ein hohes Wiederholungsrisiko bei erstgradig verwandten Familienangehörigen gekennzeichnet sind, andererseits mit der regelmäßigen Vorsorge (insbesondere Darmspiegelung) und Entfernung der Polypen aber ein wirksames Instrument zur Krebsvorbeugung verfügbar ist. Da es sich um seltene Erkrankungen handelt, sollten spezialisierte interdisziplinäre Zentren (siehe Anhang) in die Diagnostik, die Koordination der Früherkennung und die Behandlung eingebunden werden.



WAS IST EINE POLYPOSIS COLI?


Ein Polyp ist eine gutartige Gewebeneubildung der Schleimhaut, die je nach Polypentyp und -zahl ein unterschiedlich hohes Entartungspotenzial hat. Das Auftreten einzelner Dickdarm-Polypen ist ein häufiges und altersabhängiges Phänomen. Von einer Polypen-Erkrankung des Dickdarms (Polyposis coli) spricht man bei gleichzeitiger Bildung zahlreicher Polypen. Die zur Diagnose einer Polyposis notwendige Mindestzahl von Polypen ist nicht klar definiert und hängt von der Häufigkeit des Polypentyps in der Allgemeinbevölkerung, der Lokalisation der Polypen und dem Lebensalter ab.

Es gibt viele verschiedene Formen einer Polyposis (siehe Tabelle 1), die meisten gehen auch mit einer Polypenbildung im oberen Magendarmtrakt einher. Zur exakten Diagnose ist neben der Zahl und Verteilung der Polypen vor allem der Polypentyp (zum Beispiel Adenom, juveniler Polyp, hyperplastischer Polyp) entscheidend. Dieser feingewebliche (histologische) Befund wird vom Pathologen durch die mikroskopische Untersuchung der Polypen erhoben. Zur Erstdiagnose einer Polyposis in einer Familie ist somit in der Regel eine Dickdarmspiegelung (Koloskopie) und eine feingewebliche Untersuchung mehrerer abgetragener Polypen notwendig.



ERHÖHTES KREBSRISIKO UND VORSORGE


Viele Polyposis-Syndrome gehen unbehandelt mit einem hohen Risiko für die Entwicklung von Dickdarmkrebs einher (Tabelle 1); bei einigen Formen findet sich auch ein erhöhtes Risiko für gut- und bösartige Tumoren außerhalb des Dickdarms. Durch eine frühzeitige Identifizierung von Risikopersonen und den Beginn von Vorsorgeuntersuchungen lässt sich das Auftreten von Krebs aber häufig wirkungsvoll verhindern und die Prognose der Erkrankung damit entscheidend verbessern. Für die häufigeren Polyposis-Syndrome wurden deshalb spezifische Früherkennungsprogramme etabliert (siehe Kapitel 7).



GENETISCHE GRUNDLAGEN/ERBGANG


Bei den erblichen Polyposis-Formen handelt es sich um seltene Erkrankungen, die auf genetischen Veränderungen (Mutationen) in einzelnen Erbanlagen (Genen) beruhen und mit einem hohen Erkrankungsrisiko bei nahen Verwandten einhergehen können. Bis auf die MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) folgen alle häufigeren Polyposis-Syndrome dem autosomal-dominanten Erbgang. Dies bedeutet, dass die Kinder einer erkrankten Person ein 50-prozentiges Risiko haben, die zugrunde liegende Mutation ebenfalls zu besitzen und dann im Laufe des Lebens zu erkranken (Abbildung 1). Oft sind deshalb bei autosomal-dominanten Erkrankungen mehrere Familienmitglieder betroffen.



GENETISCHE DIAGNOSTIK


Mittels der molekulargenetischen Diagnostik wird nach der Mutation gesucht, die einer Polyposis-Erkrankung ursächlich zugrunde liegt. Die Mutationssuche muss hierbei in einer Familie immer zuerst bei einer sicher erkrankten Person erfolgen. Dazu ist eine Blutabnahme nötig; aus dem Blut wird dann die Erbsubstanz (DNA) isoliert und das entsprechende Gen gezielt untersucht.

Die genetische Diagnostik kann aus mehreren Gründen sinnvoll sein: a) bei unklaren klinischen Befunden kann sie bei der Einordnung der Polyposis-Form helfen beziehungsweise eine Verdachtsdiagnose genetisch bestätigen; b) durch Klärung des Erbgangs kann das Erkrankungsrisiko bei verwandten Angehörigen der erkrankten Person angegeben werden; c) der Nachweis einer krankheitsverursachenden Mutation bei der erkrankten Person ermöglicht die vorhersagende (prädiktive) Testung (noch) gesunder Risikopersonen auf die in der Familie identifizierte Mutation. Hiermit kann eine Anlageträgerschaft frühzeitig und sicher nachgewiesen beziehungsweise ausgeschlossen werden. Kann die Mutation bei einer Risikoperson ausgeschlossen werden, hat diese Person kein erhöhtes Erkrankungsrisiko; sie ist damit psychisch entlastet und braucht nicht mehr an dem intensiven Vorsorgeprogramm teilzunehmen.



HUMANGENETISCHE BERATUNG


Patienten mit Verdacht auf ein erbliches Polyposis-Syndrom oder einer genetisch bestätigten Polyposis und ihren Familien soll eine humangenetische Beratung angeboten werden, damit sie sich ausführlich über das Krankheitsbild, dessen genetische Grundlagen, das Wiederholungsrisiko bei anderen Familienangehörigen und die Aussagekraft der genetischen Untersuchungen informieren können. Eine prädiktive Testung soll nach dem deutschen Gendiagnostikgesetz (GenDG) immer im Rahmen einer humangenetischen Beratung durchgeführt werden. Es handelt sich hierbei um eine reguläre kassenärztliche Leistung. Die Adressen wohnortnaher Beratungsstellen finden sich zum Beispiel im Internet auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik e. V.: www.gfhev.de/de/beratungsstellen/beratungsstellen.php



MUTYH-ASSOZIIERTE POLYPOSIS (MAP)


Die MAP ist ebenfalls eine adenomatöse Polyposis. Sie wird allerdings durch Mutationen im MUTYH-Gen auf Chromosom 1 hervorgerufen. Die MAP ist die wichtigste Differentialdiagnose der APC-assoziierten FAP. Der Krankheitsverlauf ähnelt dem der attenuierten FAP: Meist treten zwischen 20 und einigen hundert Adenomen auf, das mittlere Diagnosealter beträgt 45 Jahre. Das Risiko für Darmkrebs ist ebenfalls sehr hoch, unbehandelt tritt der Darmkrebs meistens im vierten bis siebten Lebensjahrzehnt auf. Polypen im Duodenum werden seltener als bei der FAP beobachtet, das Risiko für Duodenalkrebs (Zwölffingerdarmkrebs) ist aber mit der FAP vergleichbar. Daneben besteht ein leicht erhöhtes Risiko für bösartige Erkrankungen außerhalb des Magendarmtraktes, ohne dass hier ein bestimmter Tumortyp dominiert.

Die MAP folgt im Gegensatz zu den anderen Polyposisformen einem autosomal-rezessiven Erbgang (Abbildung 4). Dies bedeutet, dass Geschwister einer betroffenen Person ein hohes (25-prozentiges), Kinder und Eltern eines Betroffenen aber nur ein geringes (0,5- bis 1-prozentiges) Erkrankungsrisiko haben. Die MAP tritt deshalb in den meisten Familien nur als Einzelfall auf und wird dadurch oft erst im symptomatischen Stadium diagnostiziert.

Bei Betroffenen lassen sich zwei Mutationen im MUTYHGen nachweisen (homozygote Anlageträger); die Eltern und Kinder tragen in der Regel nur eine Mutation (heterozygote Anlageträger) und erkranken nicht an einer MAP, sie haben aber möglicherweise ein leicht erhöhtes Risiko für



SELTENERE ERBLICHE POLYPOSIS-FORMEN


Neben der adenomätosen Polyposis lassen sich noch mehrere Polyposisformen voneinander abgrenzen, bei denen hamartomatöse Polypen dominieren. Das durch Mutationen im STK11-Gen verursachte Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) ist durch die charakteristische Kombination von im Kleinkindesalter auftretenden Pigmentflecken im Bereich der Lippen und Wangenschleimhaut sowie Peutz-Jeghers-Polypen – bevorzugt im Dünndarm – gekennzeichnet. Zu den Komplikationen im Kindesalter zählen der akute Darmverschluss (Ileus) und chronische Darmblutungen. Das PJS disponiert neben dem Darmkrebs zu einem breiten Spektrum gut- und bösartiger Tumoren, insbesondere der Brust, der Bauchspeicheldrüse und der Eierstöcke.

Bei der durch Mutationen im SMAD4- oder BMPR1A-Gen bedingten Familiären Juvenilen Polyposis (FJP) treten juvenile Polypen auf. Sie kann im Kindesalter zu einer chronischen Magendarmblutung mit Entwicklungsverzögerung führen. Im späteren Lebensalter besteht ein erhöhtes Darmkrebsrisiko, bei SMAD4-Mutationsträgern darüber hinaus ein erhöhtes Risiko für Magenkrebs und bestimmte Gefäßfehlbildungen (Morbus Osler). Die korrekte feingewebliche Diagnose juveniler Polypen kann schwierig sein. Die Abgrenzung zum Cowden-Syndrom und zum vermutlich nicht erblichen Cronkhite-Canada-Syndrom ist meist nicht über den Polypentyp möglich, sondern erfolgt über das Tumorspektrum und die Molekulargenetik. Die hyperplastische Polyposis und die gemischte Polyposis sind nur ungenügend definierte und charakterisierte Krankheitsbilder, die bisher genetisch nicht aufgeklärt wurden und deshalb derzeit auch nicht molekulargenetisch abgeklärt werden können.




 
     
   
     

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